„BEVORMUNDUNG WAR NIE EIN GUTER RATGEBER“

by Michael von Foerster

4. Nov 2019


Michael von Foerster, Hauptgeschäftsführer des Verbandes der deutschen Rauchtabakindustrie, im Interview mit dem Nachtmagazin der VDZ Publishers‘ Night 2019

Herr von Foerster, Rauchen wird gesellschaftlich mittlerweile in vielen Kreisen wie eine todbringende Krankheit angesehen, die auch noch ansteckend ist. Wie fühlt man sich als Botschafter des Grauens?

Michael von Foerster: Ich fühle mich ganz gut dabei, sehe mich aber als Botschafter der Freiheit, genießen zu können. Genau darum geht es nämlich. Denn wie Ihre Zuspitzung zeigt, haben wir eine Aufgabe vor uns, die sehr herausfordernd ist und die Auswirkungen auf das gesamte gesellschaftliche Denken nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa hat. Es geht darum, die individuelle Freiheit des Einzelnen ohne Not in ein Haltungskorsett zu pressen.

Und das sagt uns ausgerechnet der Tabaklobbyist. Wollen Sie wegargumentieren, dass Rauchen tödlich ist?

Sehen Sie, das ist genau die falsche Frage. Wenn Sie sich überhaupt nie bewegen würden, wäre das tödlich, wenn Sie jeden Tag ausschließlich Fast Food essen würden und dann auch nur ein Produkt, wäre das tödlich, wenn Sie Wingsuit-Fliegen als Sport betreiben, ist das auf Dauer wahrscheinlich auch tödlich. Die Frage ist, wie schon Paracelsus sagte: Welche Dosierung auf welchen Zeitraum macht das Gift? Und dann kommt es auch noch auf die individuellen Veranlagungen an: Manche Körper sind offensichtlich sehr belastbar, andere nicht.

Soll das bedeuten, ein bisschen Rauchen schadet nicht?

Jetzt muss ich doch ein wenig schmunzeln, aber Sie liegen leider wieder daneben. Vielmehr bedeutet dies für mich, dass jeder Mensch selbst entscheiden muss und vor allem weiter selbst entscheiden darf, »ob« und »wie« er etwas tut oder lässt, solange er weiß, dass sein Verhalten ihn selbst möglicherweise schädigt. Nachdem inzwischen alles infrage gestellt wird, muss angeblich auch alles geregelt werden. Vom Essen über die Mobilität und den Sport bis hin zum Genuss. Das ist zutiefst menschenverachtend und widerstrebt jeglicher liberalen Grundordnung. Im November 2019 – dem Jahr 30 des Mauerfalls – ein Anachronismus. Mittlerweile besteht unser Dasein nur noch aus: Das sollst du nicht, das willst du nicht, das darfst du nicht. Wir dürfen nicht dem Staat die Aufgabe übertragen, für die Bedürfnisse und Vollkommenheit der Bürger zu sorgen.

Das klingt ein wenig nach der viel strapazierten Leier des mündigen Bürgers?

Da ist überhaupt nichts strapaziert. Sehen Sie, mit Ihrer negativen Bewertung eines Begriffs tauchen wir noch tiefer in die Problematik ein. Was dürfen wir und wer schreibt uns das vor? Wir haben inzwischen die Einschränkungen bis hin zur Wortwahl, die zu einem Meinungsframing führen. Political-Correctness-Ideologen wollen uns vorschreiben, welche Wörter wir verwenden dürfen und was ich sein muss, wie Nicht-Fleischesser, Nicht-Flieger oder SUV-Hasser. Das ist Gehirnwäsche für ganze Populationen. Davor sollten wir uns nicht nur hüten, sondern dagegen sollten wir kämpfen.

Okay, dann andersherum. Hat die Politik den mündigen Bürger aus den Augen verloren?

Teile der Politik auf jeden Fall. Der mündige Konsument befindet sich in einem lebenslangen Lernprozess, in dem er sich seiner Selbstverantwortung stellt und diese regelmäßig hinterfragt. Die Eigenverantwortung wird dem Bürger jedoch mit jedem paternalistischen Eingriff genommen. Wenn ein neues Verbot auf die Agenda gebracht wird, fällt es leider vielen Politikern schwer, das Große und Ganze der Freiheit zu sehen und zu verteidigen. Stattdessen wird dann allzu oft der kleinlichen Argumentation für ebendieses Verbot nachgegeben. Dem pessimistischen Weltverbesserungswahn jener, die glauben, im Besitz der letzten Wahrheit zu sein, muss man mutig entgegentreten.

Sehen Sie also die Freiheit als Stützpfeiler unserer Gesellschaft bedroht?

Die Bedrohung ist durch einen verstärkten europaweiten Regulierungswahn gegeben. Teile der Bürokratie wollen das individuelle Leben durch Bevormundung verbessern und treiben dabei die Politik sowie die westlichen Gesellschaften vor sich her. Die Bürger werden bis hinein in den privaten Bereich gegängelt. Begründet wird dies mit dem Fatalismus der Alternativlosigkeit. Dabei fehlt es an einer gesunden Interdependenz von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft.

Stichwort »Werbeverbote«: Diese werden mittlerweile zur Regulierung eingesetzt. Was sagen Sie dazu?

Kommunikation, wie Sie als VDZ am besten wissen, ist am schwierigsten zu regulieren. Wer Menschen in Unwissenheit halten will, muss Kommunikation einschränken. Was dann opportun ist zu bewerben und was nicht, richtet sich am Ende nach dem Gusto einiger weniger. Das ist doch das Spielfeld der Political Correctness par excellence – eine Entmündigung des Bürgers.

Jetzt schütten Sie aber das Kind mit dem Bade aus. Zumindest die Jugend muss doch unbeeinflusst heranwachsen können. Diese müssen wir doch schützen, nicht zuletzt davor, mit dem Rauchen anzufangen.

Der vermeintlich einfache Weg, ein Werbeverbot einzuführen, suggeriert, dass hierdurch das fehlerhafte Konsumverhalten explizit bei Jugendlichen gesteuert und gesenkt werden kann. Dabei beweist gerade der seit Jahren europaweit stärkste Rückgang des Rauchens bei Jugendlichen in Deutschland, trotz Werbung, das Gegenteil. Wir verlangen von unseren Schülern, dass sie schwierigste globale Zusammenhänge beim Klima erkennen, aber glauben, dass sie nicht in der Lage sind zu entscheiden, was für sie gut ist, und dass sie schutzlos von der Werbung in die tiefsten Täler der Sucht getrieben werden.

Heißt das, Sie wollen sich als Verband der deutschen Rauchtabakindustrie nicht verstärkt beim Jugendschutz engagieren?

Nein, das heißt es nicht. Wir setzen seit Jahren auf kontrollierten Zugang erst ab 18 Jahren sowie auf Aufklärung über die Risiken. Diese muss dort ansetzen, wo nicht ungefährliche Produkte auf die Jugend treffen. Das ist zum Glück für meine Verbandsmitglieder weniger bei Genusstabaken wie Pfeifentabak, Zigarren, Zigarillos und Schnupftabak der Fall. Diese werden fast ausschließlich von älteren Erwachsenen genossen und sind keine klassischen Einsteigerprodukte. Trotzdem stehen wir natürlich zu einer konsequenten Einhaltung des bestehenden Jugendschutzes. Neueste wissenschaftliche Erkenntnisse haben zudem gerade wieder einmal bestätigt, dass das soziale Umfeld und die Sozialisation der Jugendlichen einen wesentlich stärkeren Einfluss auf das Konsumverhalten haben. Werbeverbote würden diesen Einfluss konterkarieren, denn hierdurch werden Eltern gleichzeitig aus ihrer Pflicht zur Vorbildfunktion entlassen.

Kontakt: VdR-Hauptgeschäftsführer Michael von Foerster
Telefon: +49 (30) 20965650
E-Mail: social-media@tabakmittelstand.de

Das Interview im Nachtmagazin der VDZ Publishers‘ Night 2019 (PDF)

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