Gegen „Verbotspolitik“: Michael von Foerster kämpft für die Freiheit der Tabakkonzerne.
Zur Freiheit gehört auch das Recht, sich selbst zu schaden. Und Michael von Foerster nutzt diese Freiheit gerne aus. „Ich bin Genussraucher, genauso, wie ich gerne einen Wein trinke und Tatar, also rohes Fleisch esse“, sagt er.
Doch von Foerster sieht diese Freiheit bedroht. Er warnt davor, in Interviews, Gastbeiträgen und in seiner Position als Geschäftsführer des Verbands der deutschen Rauchtabakindustrie (VdR). Seit 2015 vertritt er die Interessen überwiegend mittelständischer Hersteller und Importeure von Feinschnitt, Pfeifentabak, Kau- und Schnupftabak, Zigarren und Zigarillos – kurz: alles, was den Drang nach Nikotin befriedigt. In einem Zeitungsbericht wurde er mal „Lobbyist des Lasters“ genannt. Der 56-Jährige stört sich nicht an dieser Zuschreibung, im Gegenteil. Er kämpft schließlich dafür, dass keine Verbote die Freude am Laster weiter trüben.
„Lobbyist des Lasters“
Während Gesundheitsexperten im Rauchen die Gefahr sehen, sieht er sie auch in Verboten– etwa, was Werbung für Tabakwaren oder Süßigkeiten betrifft. „Wir verlieren im Grunde scheibchenweise Freiheiten“, sagt er. Ein einzelnes Verbot gefährde zwar nicht Demokratie oder Eigenverantwortung. „Aber mittlerweile werden wir damit überhäuft.“ Dadurch bestehe die Gefahr, dass der Bürger in Bequemlichkeit verfalle. „Er gewöhnt sich dann an die Verbotspolitik.“ Ein schlimmes Szenario für den Juristen, der einen Teil seiner Jugend in West-Berlin verbracht hat – die Mauer, die den Osten abschottete, immer im Blick. Da habe er zum ersten Mal erkannt, wie wichtig Freiheit ist.
Doch wo endet Freiheit? Laut dem Philosophen Immanuel Kant dort, wo die des anderen beginnt. Zum Beispiel die Freiheit, auf einem gesunden Planeten zu leben. Und die ist durch die Tabakproduktion bedroht, wie die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in einer 2022 veröffentlichen Studie zeigt. Herstellung und Konsum von Tabak kosten jährlich mehr als acht Millionen Menschenleben, 600 Millionen Bäume, 200.000 Hektar Land sowie 22 Milliarden Tonnen Wasser, rechnet die WHO vor. Zudem würden rund 84 Millionen Tonnen CO₂ freigesetzt – das ist der Ausstoß von etwa 17 Millionen benzinbetriebenen Autos jährlich.
Auf Fragen reagiert von Foerster auch mit Gegenfragen: Fragt man ihn, ob es im Rahmen der sozial-ökologischen Transformation auch sinnvolle Verbote geben könnte, antwortet er: „Warum ist man immer so fixiert auf das Verbieten? Damit wurde im Prinzip noch keine gesellschaftliche Veränderung erreicht“.
Aber bei allem Loblied auf die individuelle Freiheit, zeigt er ebenfalls viel Sympathie für die große Politik. So findet er die SDGs „faszinierend“, da „sie uns alle eine gemeinsame, dauerhafte, tragfähige Brücke für eine nachhaltige Entwicklung weltweit bieten“. Bei der Umsetzung von ESG-Maßnahmen wünscht er sich allerdings eine Vereinheitlichung der Reportingpflichten in einem System, um KMU vor Überforderung zu schützen. „Solange die Leitplanken einer derartig vielschichtigen Regulierung nicht eindeutig sind, sollte in Zeiten multipler Krisen die Umsetzung ausgesetzt werden“.
Wo endet Freiheit?
Von Foerster sagt, die vom Verband vertretenen Tabakunternehmen und hätten
Nachhaltigkeitsprogramme aufgesetzt. Dazu müssen sie vor allem die Schwellen- und
Entwicklungsländer in den Blick nehmen, wo sie die Pflanzen anbauen. Es gebe Programme, um vor Ort Umweltschutz und Arbeitsrechte zu stärken. Konkrete Ergebnisse von Nachhaltigkeitsprogrammen der Mitgliedsfirmen seines Verbandes nennt er aber nicht.
Welche Unternehmen besonders vorbildlich seien, könne der Endverbraucher allerdings nicht ohne weiteres herausfinden. „Wir dürfen auf unseren Verpackungen noch nicht einmal schreiben, dass es sich zum Beispiel um Bio-Tabak handelt“, sagt er. Auch das sei ein Beispiel dafür, wie der Verbraucher durch staatliche Vorschriften unmündig gemacht werde.
Wenn von Foerster vom Rauchen spricht, nennt er Begriffe wie Eigenverantwortung, Freiheit und Genuss. Dass Rauchen ungesund ist, würden die erwachsenen Kunden schließlich wissen. Hakt man nach und fragt mit Verweis auf eine Studie, ob Raucher wohl wüssten, dass sie auch radioaktive Substanzen aufnehmen, kontert er ebenfalls mit einer Frage: „Alle, die sich mit der Demokratie beschäftigen, wissen, dass den meisten die Prinzipien und Abläufe einer repräsentativen Demokratie nicht geläufig sind. Wollen Sie denen das Stimmrecht entziehen?“
Er ist ein erfahrender Lobbyist: Vor seiner Zeit beim VdR vertrat er die Interessen von Bosch Security Systems, davor für den Biometrie-Spezialisten Viisage Technologys. Sicherheit und Freiheit. Für ihn schließe sich das nicht aus, im Gegenteil: „Ohne Sicherheit keine Freiheit und ohne Freiheit keine Sicherheit.“ Doch ab und an tue es gut, ein kleines Risiko einzugehen, sagt er. Er gehe zum Beispiel gerne auf Skitouren. Judith Henke/Caspar Dohmen
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